Sind wir noch ganz dicht? Der Film zum Anlass

 

Rückblick Veranstaltung vom 14.09.2016

Zürich Nord 

Das Quartier wünscht sich mehr Freiraum

Im Guggach-Quartier müssen die Menschen immer näher zusammenrücken. Was braucht es, um die Lebensqualität dennoch hochzuhalten? Darüber diskutierten Fachleute verschiedener Richtungen an einem Podium, zu dem der Quartierverein Unterstrass einlud.

Rund 80 Interessierte folgten letzten Samstag der Einladung des Quartiervereins Unterstrass und nahmen an einer Führung durch die Siedlungen Brunnenhof und Guggach teil. Unter dem Titel «Sind wir noch ganz dicht? – Verdichtetes Wohnen Guggach» fand anschliessend eine Podiums-Diskussion statt, an der die Quartierbewohnerinnen und -bewohner ihre Wünsche an das künftige Quartier einbringen konnten. Moderiert von Daniela Lager vom Schweizer Fernsehen, die selber in Unterstrass wohnt, diskutierten Daniel Leupi, Stadtrat und Präsident «Stiftung für bezahlbare und ökologische Wohnungen», Bettina Baltensweiler, freischaffende Künstlerin, die Architekten Mike Guyer und Andreas Hofer, der Planungswissenschaftler und Architektursoziologe Joris van Wezemael und der Kulturveranstalter Valentin Schilter darüber, weshalb heute verdichtet gebaut werden muss und wie man den frei bleibenden öffentlichen Raum am sinnvollsten nutzt.

Die Stadt wächst nach innen
«Zürich ist erfolgreich. Immer mehr Menschen drängen in die Stadt», sagte Mike Guyer, Architekt der Siedlung Brunnenhof. «Dichterrücken wird aktueller, aber dadurch steigen auch die Reibungsflächen der Bedürfnisse. Bei jeder neuen Überbauung müssen wir mit einem bis drei Jahren Verzögerung wegen Rekursen rechnen.»

Doch was sind gute Beispiele von verdichtetem Wohnen, wo sind die Herausforderungen und wo die Grenzen? Als gutes Beispiel hob Andreas Hofer die Überbauung von «mehr als wohnen» in Leutschenbach hervor. «Trotz verdichtetem Wohnen gibt es dort dank Begegnungszentren und Grünanlagen eine hohe Lebensqualität», sagte er. «Eine Stadt gehört allen. Daran wird immer weitergebaut, aber immer wieder mit anderen Schwerpunkteen», sagte der Planungswissenschaftler Joris van Wezemael. «Dicht allein ist keine Tugend. Die Qualität ist ausschlaggebend. Man baut nicht nur Siedlungen, sondern auch Quartiere. Dafür muss man die richtigen Leute mit einbeziehen.»

Als Präsident der «Stiftung für bezahlbare und ökologische Wohnungen» ist es Stadtrat Daniel Leupi ein Anliegen, dass es mehr Wohnungen für schmale Budgets gibt: «In den letzten Jahren wurden die Wohnungen immer grösser, mit mehreren Badezimmern und viel unnötigem Luxus. Gefragt sind Wohnungen mit einfachem Standard, die bezahlbar sind.»

Was entsteht auf der Brache?
Die Stadt Zürich besitzt nicht mehr viel freies Land für neue Überbauungen. Die Brache Guggach ist eines der letzten Grundstücke, auf dem eine Siedlung entstehen kann. Derzeit steht sie zur Zwischennutzung der Quartierbevölkerung zur Verfügung. Valentin Schilter, der mit «chornhuus.ch» letztes Wochenende zum zweiten Mal das Quartierfest «Musikwelle Guggach» auf der Brache organisiert hatte, bedauerte, dass es in der Stadt kaum mehr Raum für solche Veranstaltungen gibt. «Immer mehr Plätze gehen verloren», sagte er. «Ich finde es wichtig, dass man bei der Planung von Überbauungen die Vergangenheit eines Orts mit einbezieht».» Auch Andreas Hofer fand es einen guten Ansatz, bestehende Qualitäten weiterzuentwickeln, und Daniel Leupi versicherte: «Es wird bei der Überbauung Guggach einen Park im Innenbereich geben. Man will die Ideen von vorher einfliessen lassen.»

Mehr Freiraum, kleine Läden
Aber was wünschen Quartierbewohnerinnen und -bewohner für diesen Ort? Eine Begegnungszone, mehr Freiraum, kleine Läden, einen Fussgängerstreifen, lauteten die Antworten aus dem Publikum. «Der öffentliche Raum sollte nicht nur zum Durchlaufen da sein. Die Menschen müssen ihn sich aneignen, ihn spontan nutzen können», sagte die Künstlerin Bettina Baltensweiler, die mit Kunstaktionen im öffentlichen Raum schon oft von sich reden gemacht hat. «Der öffentliche Raum muss für die Menschen da sein», sagte Stadtrat Leupi. «Wenn die Dichte steigt, braucht es auch entsprechend mehr Freiraum.»

Hans Ulrich Weber, ehemaliger Co-Präsident des Quartiervereins Unterstrass, bemängelte, dass die verschiedenen Siedlungen nicht zueinander passen würden. «Jede Siedlung wurde separat geplant. Oft ist noch ein Hag dazwischen. So kann kein echtes Quartier entstehen», sagte er. «Die Zeit der Gründerquartiere ist vorbei», entgegnete Andreas Hofer. «Ich habe kein Problem damit, dass jeder sein Ding macht.»

Quartier mit einbeziehen
Joris van Wezemael hält es für wichtig, dass mehr öffentliche Diskussionen über die Quartierentwicklung stattfinden. «Wir sollten kollektiv über Räume nachdenken», sagte er. «Was dereinst auf der Brache steht, ist ein Prozess», erklärte Daniel Leupi. «Es gibt noch keine Gesamtplanung. Fest steht, dass Raum für ein eventuelles Schulhaus frei bleibt. Ich bin bereit, das Quartier in die Planung mit einzubeziehen. Mein Wunsch ist es, dass hier eine Siedlung entsteht, in der die Menschen gerne wohnen und die ein Input für ein lebendiges Quartier sein wird.»

Von: Karin Steiner