Im Gedenken an Hans-Ulrich Weber, Dipl. Ing. Landschaftsarchitekt, 21. Januar 1942 – 5. Februar 2022

Ansprache von Florian Meyer an der Abdankungsfeier am 15. 2. 2022 in der reformierten Kirche Unterstrass

 

Liebe Trauergemeinde

dem Gedenken meiner Vorredner folgend, möchte ich nun einige Einblicke in Hans-Uelis Webers Leben mit Ihnen teilen. Ich bin Florian Meyer, Hans-Uelis Stiefsohn und der Sohn seiner Lebenspartnerin Barbara, die ihn bis zur letzten Minute umsorgte.

In meinen frühesten Erinnerungen sehe ich Hans-Ueli, wie er abends bei meinem Bruder Sebastian und mir am Bettrand sitzt und wir gemeinsam Geschichten ausdenken. Hans-Ueli machte den Anfang, und wenn einer von uns Brüdern einen Einfall hatte, setzte er die Geschichte fort, bevor Hans-Ueli den Faden wieder aufnahm – und so nahm die Geschichte ihren Lauf wie ein Fluss, der sich durch eine Landschaft zieht.

Früh erlebten wir Hans-Uelis Begeisterung für Natur und Landschaft: das war beim Skifahren der Fall, das er, der selbst Skilehrer gewesen war, uns beibrachte. Zum anderen brachte er uns auf Wanderungen und Ausflügen die naturnahe Landschaftsgestaltung näher. Gut erinnere ich mich, wie wir die nationale Gartenbauausstellung Grün 80 besuchten, an der das Atelier Stern und Partner die damals neue naturnahe Gestaltungsthematik aufgriff.

Die Faszination des Gartens

Sinnbildlich war für uns in der Familie sein Garten, den er zuhause am Laubiweg mit viel Hingabe pflegte. In diesem Garten wächst eine Vielfalt von Früchten, Gemüsen, Kräutern, Blumen, Gräsern und Bäumen nebeneinander, und bildet ein wahres Refugium.

Hans-Uelis Interesse für Garten und Architektur begann in der Kindheit, die er glücklich mit seinen Geschwistern, Maja und Jürg, in Neuhausen am Rheinfall verbrachte. Als er sich 1964 an der Technischen Universität München für das Studium der Landschaftsarchitektur bewarb, schrieb er: «Schon immer beschäftigten mich die Naturwissenschaften sowie Kunsträume weitaus am meisten. Dazu kam von zu Haus aus die Berührung mit dem Garten, der mich immer mehr in seinen Bann zog. (…) Nach der Matura entschloss ich mich mangels einer Studiermöglichkeit für die Gartengestaltung in der Schweiz an der ETH Zürich Architektur zu studieren. (…) Nach zwei Semestern trat ich meinen Militärdienst an, durch den ich 1962 bis 64 mein Studium praktisch unterbrechen musste. Während dieser Periode reifte mein Entschluss, mich ganz auf die Garten- und Landschaftsgestaltung zu verlegen.»

Nach dem Studium an der TU München begann er 1970 in Zürich als selbständiger Mitarbeiter im Büro des Landschaftsarchitekten Christian Stern. Diesem Büro blieb er ein Berufsleben lang treu: von 1974 bis 2010 war er Partner des Ateliers Stern und Partner und der asp Landschaftsarchitekten, wie das Büro bis heute heisst.

Besonders schätzte er die Arbeitsweise im Atelier, die der Genfer Professor für Theorie und Geschichte der Landschaft, Michael Jakobs, als «Praxis der Zusammen-Arbeit qua Reflexion, Kritik, Auf-den-Tisch-Legen» bezeichnet hat. Hans-Ueli selbst sah es 1972 so: «Die Arbeitsweise in unserem Büro beruht auf einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit aller Mitarbeiter.»

Seine Arbeitsschwerpunkte betrafen Natur- und Landschaftsschutz etwa bei der Nationalstrasse N4 im Knonaueramt, Umwelt- und Grünplanungen wie im mittleren Limmattal oder beim Gaswerkareal in Bern, Umgebungsplanungen von Wohnsiedlungen wie bei der Langgrüt in Zürich oder bei der Grossüberbauung Avenchet-Parc in Genf – und nicht zuletzt Gewässerrevitalisierungen. Ab 1971 begleitete er 25 Jahre lang die Reusstalsanierung im Aargau, und von 1985 bis 2003 koordinierte er die Thursanierung in Zürich und Thurgau.

Vermittlung von Ökologie und Gestalt

Wesentlich für Hans-Uelis Herangehensweise als Landschaftsarchitekt war ein ganzheitliches Denken. Natur und Gestaltung standen für ihn nicht im Widerspruch zueinander. Als ihn die Zeitschrift für Landschaftsarchitektur anthos 2016 porträtierte, sagte er: «Gute Gestaltungen bei gleichzeitiger Förderung der Biodiversität sind möglich».

Es gibt in Hans-Uelis Bibliothek ein schmales Bändchen, in dem er, was er sonst eher selten tat, zahlreiche Stellen mit Bleistift unterstrich. Ich spreche von «Gärten, Landschaft und das Genie der Natur» von Gilles Clément, dem französischen Landschaftsarchitekten und Professor in Versailles. Vor dem Hintergrund von Klimaerwärmung und Rückgang der Biodiversität schreibt Clément: «aus neueren historischen Gründen, die die Beziehung der Menschheit zu ihrem Lebensraum erschüttern, können wir die biologische Dimension nicht außer Acht lassen und die Rolle des Landschaftsarchitekten [nicht] allein auf formale oder funktionale Gestaltung des Raumes beschränken (…), es sei denn, wir machen einen bloßen Designer aus ihm, was er nicht ist.» Cléments Folgerung stimmt gut mit Michael Jakobs Beobachtung überein, dem reinen Design hätten die Partner von asp nie absoluten Vorrang gewährt, sie setzten mehr auf die Vermittlung von Ökologie und Gestalt.

Hans-Ueli selbst beschrieb seine Auffassung von Landschaftsgestaltung sehr klar in einem Vortrag über «Landschaftsästhetische Aspekte bei Wasserbauprojekten», den er 2005 in Bozen hielt. Darin erörtert er seinen Gestaltungsbegriff an den Beispielen des Flussraums an der Thur und der Limmat- Ufergestaltung beim Wipkingerpark. «Bei «Gestaltung» geht es letztlich immer darum, (…), eine Idee sichtbar zu machen. Die «Gestaltung» beziehungsweise die (…) Form ist dabei eng verknüpft mit dem jeweiligen Raum und der Zeit und mit den an der Gestaltung beteiligten Akteuren. (…) ‹Gestalten› wird damit zum Prozess, wobei es darum geht, aus vielen gegensätzlichen Einzelteilen und Vorstellungen eine auf den jeweiligen Ort zutreffende Lösung zu entwickeln.»

Die Sanierung der Thur erwies sich als ein Projekt, in dem Hans-Ueli als Baubegleiter der Kantone Zürich und Thurgau sein Vermittlungsvermögen voll zur Geltung bringen konnte: Nachdem die Ansprüche anfänglich auseinanderklafften, kam es zur Annäherung und zuletzt bilanzierte er: «Nach Abschluss der Bauarbeiten 2003 entstand ein Flussabschnitt, der dem Hochwasserschutz genügt, aber viel Raum bietet für Pflanzen, Tiere und den Menschen.»

Anschaulich und anerkennend schrieb die Winterthurer Zeitung Der Landbote: «Die Vorschläge und Anträge des Bauberaters bewirken die Verquickung des reinen Nutzeffekts mit den Formen der Landschaftsästhetik und den Formen der Existenzmöglichkeiten von Flora und Fauna. Aufgrund seiner Anregungen werden neu aufgeschüttete Uferböschungen in naturgerechte Unregelmässigkeit übergeführt, die steinernen Buhnen bestockt und auf dem Vorland Gebüsche verschiedenster Gattung eingepflanzt. Der Baubegleiter ist überdies bemüht, die Maschinenführer, Lastwagenfahrer und Bauarbeiter für Rücksichtnahme auf Landschaft und Natur zu gewinnen.»

Charakteristisch für Hans-Ueli war, dass er seine Fachkenntnisse an Studierende, Interessierte und die Öffentlichkeit weitervermitteln wollte. Diese Haltung spiegelt sich in seinen langjährigen Engagements an der Hochschule für Technik in Rapperswil, beim Ökozentrum Zürich und im Quartierverein Unterstrass.

30 Jahre Engagement im Quartierverein Unterstrass

Ganze 30 Jahre engagierte er sich im Quartierverein Unterstrass. Seit 1985 war er Mitglied im Vorstand, von 1995 bis 2015 war er Präsident. Sein Humor, seine klare Meinung und sein Wissen über das Quartier haben im Verein und im Quartier Spuren hinterlassen.

Schon vor seiner Zeit im Quartierverein, wirkte Hans-Ueli bei jener Elterngruppe mit, die Ende der 1970er-Jahre den Kinderspielplatz auf der Stolzewiese baute. Im Quartierverein setzte er sich wiederum für die Verbesserung der Spielplätze, den Grünraum und den Erhalt historischer Bauten in Unterstrass ein. Namentlich unterstützte er jene Quartierinitiative, die erreichte, dass die Grünflächen zwischen der Kirche Unterstrass, dem öffentlichen Obstgarten und dem Letzibach-Töbeli erhalten blieben. Und dass die historischen Gebäude wie das Quartierhaus, die Röslischüür, das Armenhaus und die Quartierwache keinen Neubauten weichen mussten.
Röslischüür und Quartierhaus sind bis heute wichtige Treffpunkte der Quartierbevölkerung. Hans- Ueli prägte deren Entwicklung doppelt als Präsident des Quartiervereins und ab 1999 als Präsident des Vereins Quartierhaus. Er ermöglichte die Gründung der Nachbarschaftshilfe Kreis 6 und stärkte die Beziehungen zu den Gemeinschaftszentren. Aktiv beteiligte er sich an Events wie der 1.-August- Feier im Irchelpark, dessen Entstehung er als asp Partner hautnah miterlebte, und der für das Quartier ein wichtiger Erholungsraum ist.

Sein Planungswissen setzte er gerne für das Quartier Unterstrass ein. In seiner Zeit wurden die Weinbergstrasse, die Riedtlistrasse und der Schaffhauserplatz neugestaltet. Vielleicht erinnern Sie sich, welche Umwege man früher zu gehen hatte, um beim Schaffhauserplatz auf die Traminsel zu gelangen, und dass eines Tages jemand einen informellen Fussgänger-Streifen auf die Strasse malte, der den direkten Weg anzeigte – heute respektiert der Zebrastreifen bei der Seminarstrasse die Gehgewohnheiten.

Hans-Ueli registrierte das mit einem Augenzwinkern. Als Landschaftsarchitekt kannte er das – schliesslich entstehen auch in Parks zuweilen Trampelpfade, wenn Menschen eine Abkürzung nehmen, anstatt der Wegführung der Planer zu folgen.

Die Zeit der Natur

Das bringt mich zu einem letzten Aspekt, der Hans-Ueli am Herzen lag: die Zeit der Natur. Ein Landschaftsarchitekt schafft nichts Unabänderliches. Grün- und Flussräume entwickeln und verändern sich, denn ihre Bestandteile sind lebendig; sie werden, wachsen und verschwinden wieder. Ein Landschaftsarchitekt plant diesen Wandel mit Weitsicht. In anthos schliesst Hans-Ueli mit der Aussage: «Der Faktor Zeit ist in unserer Gesellschaft eliminiert, dabei hat alles, was mit Natur zu tun hat, mit Zeit zu tun, das macht die Planung unbequem. Es fehlt der Raum, die Dinge entwickeln zu lassen. Darunter leidet auch die Qualität.» Landschaftsgestaltung, das lässt sich sagen, stand für Hans-Ueli im Dienst der Lebensqualität.

Welcher Tag ist heute? Dein Tag

Seine Einstellung zur Zeit offenbart sich in einem Gedicht Pablo Nerudas, das er sehr schätzte, und mit dem ich nun schliesse:

Welcher Tag ist heute? Dein Tag.
Und morgen ist gestern, kein Tag aus deinen Händen
hat einen andern abgelöst, keiner ist vergangen:
du bewahrst die Sonne, die Erde, die Veilchen
in deinem kleinen Schatten, wenn du schläfst.

Und so schenkst du mir
jeden Morgen das Leben.