Urs Eggenschwyler (1849–1923)

Bildhauer, Maler, Menageriebesitzer und Tierfreund

Barbara Haldimann

Urs Eggenschwyler

Schon seit dem 15. Jahrhundert ist der Löwe Schildhalter und Wahrzeichen von Zürich. Schaut man sich in der Stadt um, sieht man an den verschiedensten Orten Löwen, sei es auf der Stauffacherbrücke, als Wandbild an Häuserfassaden oder – ein besonders schönes Exemplar – als Standbild im Hafen Enge. Dort sitzt er am Eingang auf einem Sockel und wacht sowohl über den Hafen und als auch über die Stadt.

Nur wenige wissen jedoch, von wem all diese Löwenskulpturen stammen. Sie sind Werke von Urs Eggenschwyler, Zürcher Original, Bildhauer, Maler, Zeichner, Menagerie-Besitzer und begeisterter Tierfreund.
Der 1849 ursprünglich aus Matzendorf (Solothurn) stammende Urs Eggenschwyler verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Zürich, wo er auf dem Milchbuck eine Menagerie mit zum Teil recht exotischen Tieren hatte – Hyänen, Wölfe, Füchse, Panther, Raubvögel, Braunbären; er hielt aber auch Katzen, Hunde, Kaninchen und natürlich sein Lieblingstier, den Löwen. Es gab für ihn nichts Schöneres, als mit einem Löwen zu spielen oder mit ihm in der Stadt spazieren zu gehen. Dies aber sehr zum Ärgernis der Polizei, die um die Sicherheit der Bevölkerung besorgt war. Sie verbot Urs Eggenschwyler, den Löwen in der Stadt spazieren zu führen. Deshalb verlegte er seine Spaziergänge durch die Strassen von Zürich mit seinem Schützling in die Nacht, und wenn er nun jemandem begegnete, wurde das Tier bloss für einen «aussergewöhnlich grossen Hund» gehalten.

Liebe zu seinen Tieren

Die Liebe zu seinen Tieren reichte gar soweit, dass Urs Eggenschwyler lieber selber hungerte, um für seine Schützlinge genügend Nahrung zu haben. Doch obwohl er sich – wie er betonte – stärker zu Tieren als zu Menschen hingezogen fühlte, war Eggenschwyler kein Aussenseiter. Zu seinem Freundeskreis zählten unter anderem Gottfried Keller, Albert Heim, Richard Kissling, Arnold Böcklin und Karl Hagenbeck.

Eggenschwylers Lieblingsmotiv

Der Löwe wurde zu Eggenschwylers Lieblingsmotiv, sei es in Stein gehauen, in Gips geformt, in Bronze gegossen, gemalt und gezeichnet. Sein Lieblingstier beschäftigte Urs Eggenschwyler so sehr, dass er zum eigentlichen Löwen-Bildhauer wurde. Seine Werke sind heute nicht nur in Zürich, sondern auch in St. Gallen, Sempach, Solothurn und Bern zu bewundern, wo sich übrigens im Bundeshaus auch zwei Bären befinden. Viele seiner Arbeiten sind zudem im Privatbesitz.

Ausser den Tierplastiken schuf er auch künstliche Felsen für Tiergärten und Zoos in St. Gallen, Basel, Rom, Wien, Antwerpen sowie für den bekannten Hagenbeck-Zoo in Hamburg, der im Jahr 2007 sein 100-jähriges Bestehen feierte. Nur den Zürcher Zoo, für dessen Realisierung er sich unermüdlich eingesetzt hatte, durfte er nicht mehr erleben. Ein zoologischer Garten in Zürich wäre sein grösster Traum gewesen, und er liess nichts unversucht, um die städtischen Behörden für einen Zoo zu begeistern. Der Zürcher Zoo öffnete seine Tore jedoch erst im Jahr 1929; Urs Eggenschwyler war aber 1923 im Alter von 74 Jahren gestorben. Sein Herz würde zweifellos höher schlagen, wenn er heute durch unseren Zürcher Zoo streifen könnte – besonders beim Anblick der neuen, erst 2007 eröffneten Löwenanlage.

Zur Erinnerung an den grossen Tierfreund wurde 1925 ein Verbindungsweg zwischen der Langmauerstrasse und Im eisernen Zeit Eggenschwylerweg benannt.

Weitere interessante Informationen, Geschichten und Fotos über diesen aussergewöhnlichen Mann sind in den folgenden Beständen des Stadtarchivs Zürich zu finden:
VII. 105. Urs Eggenschwyler (1849 – 1923). Dokumentation von Werner Friedrich Kunz, Bildhauer
VII. 113. Urs Eggenschwyler (1849 – 1923). Dokumentation von Roman G. Schönauer